Zum aktuellen Anlass des Ukraine-Krieges möchte ich mit einem Ausschnitt aus meinem Blog über Brian Maguire die Zerstörung von Mariupol bildhaft werden lassen.
Interview mit dem Maler Brian Maguire zu Aleppo
BT: Ich finde Ihre Kunst sehr politisch. Können Sie den Moment der Inspiration für ein Bild beschreiben?
BM: Zum Beispiel bei den Arbeiten zu Aleppo – Wir fuhren nach Homs hinein, man kommt in die Gegend der Universität, eine schönes Stadtviertel mit großen Boulevards und Bäumen, Parks und Bussen. Dann biegen Sie ab und sie sind in der Hölle. Man fährt durch eine vollkommen zerstörte Gegend, Gras wächst auf eingestürzten Bauten, jede Seitenstraße ist vollständig … man sieht die Straße nicht, die auf der Sie fahren ist mit dem Bulldozer gebahnt, die Trümmer wurden in die Seitenstraßen verschoben. So weit Ihr Auge reicht, nur Zerstörung. Es steht kein Haus mehr, kein einziges Zimmer. Es war … ich hatte noch nie so etwas gesehen, ich hatte so etwas auch noch nie im Film gesehen, Warschau und Berlin sahen nach dem Zweiten Weltkrieg vielleicht ähnlich aus, aber in Warschau und Berlin lebten noch Menschen, doch niemand lebt mehr in diesem Teil von Homs. Es war die Vorbereitung auf Aleppo, dort standen die Bauten noch, sie waren noch nicht geräumt, es gab auch noch hier und da einen Barbierladen, einen geöffneten Coffee Shop, als wir nach Aleppo kamen. Aber gehen Sie mal und werden Sie Zeuge dieses Anblicks.
Es ist interessant im Rahmen unseres Gesprächs, Zeugnis abzulegen ist eine wichtige Krücke für mein Werk. Ich fahre hin, werde Zeuge und berichte, was ich gesehen habe. Ich machte Bilder von diesem Grad der Zerstörung. Es war für eine Ausstellung in einem Museum in Dublin, sie hieß War changes ist address (Der Krieg ändert die Adresse) und das ist die Idee hinter diesen Arbeiten.
Wie ging ich vor? Zunächst machte ich 2000 Fotos. Davon wählte ich eins, zwei drei, zuerst drei Bilder und dann ein viertes. Nun zur Ausführung: Ich zeichnete nach dem Foto auf die Leinwand, mit Hilfe einer Projektion, und während des Malens glich ich das Bild immer wieder mit dem Foto ab. Das erste Bild war dem Ausgangsbild ziemlich treu, und was ich sah, wenn ich aus meinem Hotelfenster schaute, kam dem ersten Bild auch ziemlich nah. Auf dem zweiten Bild ragt ein einzelnes Relief aus den Trümmern, hier war die Frage, wie ich die Trümmer malen sollte. Wie ich das Bild malen sollte mit einem Hinweis, wie das zustande kam, verstehen Sie, das Bild sollte erzählen, wie es zu dem Anblick kam, in anderen Worten, es sollte etwas über den Einsturz mitteilen. Das war mein Fokus bei Aleppo II. Und die Frage brachte mich von dem Versuch ab, mit der Farbe die Formen wiederzugeben – ich musste weiter gehen. Ich musste das Ereignis vom Einsturz des Gebäudes wiedergeben. Das brachte mich zu meinem dritten Gemälde. Dabei hatte ich nur die Idee von einem Tierkadaver im Kopf, der sich zersetzt. Es war der Leitgedanke bei der Ausführung des Gemäldes. Ich wollte, das dies sichtbar würde. Fleisch und Knochen werden flüssig und zerfließen in einem Prozess, der über viele Jahre geht, wissen Sie, nach hundert Jahren haben Sie einen schön weißen Knochen, aber am Anfang ist da ein ganzes Tier mit vielen Zwischenstadien. Ich versuchte, das Gebäude auf diese Weise zu behandeln. Als ein organisches Ding im Laufe seiner Zersetzung.
BT: Ich denke, ich habe das Gemälde auf dem Umschlag Ihres Buchs gesehen?
BM: Es ist eine Version davon.
BT: Das Bild hat dieses Licht, dieses schimmernde Licht …
BM: In der Tat, das Licht im Mittleren Osten ist eine große, wunderschöne Präsenz. Über dem grauen Elend.
Zurück zu der Ausführung der Bilder: Ich habe immer eine bestimmte Art und Weise, die Farbe aufzutragen. Anschließend versuche ich, das zu stören, die aufgetragene Farbe zu bewegen, damit keine Spuren von der Herstellung bleiben. Dass nur das Gemälde da ist. Mit meiner Hand zerstöre ich die Spuren der Bürste, gewöhnlich habe ich am Schluss dann noch ein größeres Problem zu lösen. In diesem Fall war es die Straße … der Unterrand des Bildes. Weil ich die Bilder spraye, gibt es immer Tropfen. Sie können sie entweder einfach wegwischen, oder Sie können sie lassen.
BT: Ja, denn es ist etwas Unvorhergesehenes, und ich denke, das ist sehr interessant in der Kunst. Es ist nicht alles kontrolliert.
BM: Nun, Sie tragen es auf. Das Auftragen der Farbe ist kontrolliert. Dann spielen Sie damit herum, sprayen, geben Wasser drauf, verwischen. Dann überlegen Sie, wieviel davon bleiben soll. Der letzte Akt ist sehr kontrolliert, aber es sieht nicht so aus. Das Bild sieht aus, als wäre es gerade eingetroffen, als Ganzes. Das ist es, was ich will.
BT: Dann hat man den Eindruck, es sei lebendig.
BM: Dass es Leben hat, dass da etwas in ihm ist.