Banksy in Paris

Paris, 30.06.2018  Es war in allen französischen Zeitungen und man kann die Fotos im Internet sehen: Der Sprayer Banksy war wieder da. Der Brite wurde in den 2000er-Jahren durch seine Street Art bekannt, mit der er sich auf die Seite der Migranten stellt. Seine Kunst „fällt aus dem Rahmen“, er will außerhalb des Marktes bleiben, daher hält er seine Identität geheim und setzt seine Bilder sichtbar für jeden in den öffentlichen Raum. Das erste Bild, das jetzt auftauchte, war ein kleines Mädchen, das ein Hakenkreuz mit einem Ornament in Rosa übermalt. In den Artikeln geistern auch schon Schätzungen herum, wieviel die Tags wert sind, die bei Banksys diesjährigem Besuch entstanden sind, nachdem er die Stadt der Lichter schon mehrfach bereichert hat, und diesmal geht es offenbar um Hunderttausende von Euros. Leider wurde dieses erste Bild in der Nähe der Porte de la Chapelle bereits vandalisiert. Ich wollte es trotzdem sehen, auch weil mich dieses Viertel, wie alle Gegenden am Rand der Innenstadt, irgendwie anzieht (s.a. meinen Blog über Aubervilliers).
Gleich an der Straßenbahnhaltestelle empfing mich eine blinkendes Polizeifahrzeug mitten auf dem Trottoir und ein Polizist, der hinüberbrüllte zu ein paar Passanten auf der anderen Seite der Auffahrt zur Ringautobahn, die offenbar afrikanische Migranten waren. Nach den Zeitungsberichten befand sich der tag auf einer Betonwand ganz in der Nähe des Rings. Ich wählte mir ein Hochhaus als Ziel, in der Schlinge der Auffahrt, auf dessen Dach groß „Bowling“ stand. Beim Überqueren wollte ich mich noch einmal absichern, indem ich einen Jogger fragte, der gerade herüberkam, denn Jogger kennen ihre Strecke. Aber er verstand nur „Banksy“, denn er war ein Amerikaner „aus Kalifornien.“ Zufällig lief er gerade alle neuen Banksys ab, auf seinem Handy zeigte er mir das Foto des letzten, den er geknipst hatte, im 18. Bezirk, ein Napoleon zu Pferde. „Eine neue Form der Kunst in Paris, nach all den anderen, die wir gesehen haben.“ Ich schätzte ihn um die vierzig, auf seinem Google-Plan war auch die Stelle markiert, wo sich der Banksy befand, den ich suchte. Man sah es nicht genau, aber nach seiner Ansicht mussten wir weiter den Boulevard Ney entlang gehen. Es war nett von ihm, dass er mich begleitete und nicht weiter in seinem Joggingtempo rannte. In Paris war er, weil seine Freundin noch studierte und gerade einen Kurs machte, er hatte vier Wochen, um die Stadt zu erleben, es war einfach großartig. Das rote Fähnchen zeigte, dass wir zu weit gegangen waren, und ich schlug vor, eine andere Person zu fragen, wo die ehemalige Erstaufnahmeeinrichtung für Migranten war, das war der zweite Hinweis aus der Zeitung, den ich mir gemerkt hatte. Wir kehrten um. In der Unterführung unter der Bahnstrecke kamen wir an zwei prachtvoll gekleideten afrikanischen Damen vorbei und ich rempelte die eine leicht an dem Klappstuhl, den sie trug. Sie reagierte zunächst unwirsch, lächelte aber strahlend, als ich mich entschuldigte. Wir lachten herzlich über die Situation, als sie mich fragte, ob ich mir nicht zu sehr wehgetan hätte. Der Amerikaner blieb im Hintergrund, er verstand kein Wort Französisch, außerdem war er wohl verunsichert, was dieser Zwischenfall mit den beiden schwarzen Frauen zu bedeuten hatte.
„Meine Damen, könnte ich mich bei Ihnen auch noch erkundigen, wo sich das ehemalige Erstaufnahmezentrum befindet?“
Dass ich ihnen die Frage gestellt habe, tut mir immer noch leid, denn sie waren etwas gekränkt, mit diesen Leuten in Verbindung gebracht zu werden.
Die andere der beiden Frauen, die wunderschöne goldene Ohrringe hatte, antwortete etwas belegt, wir bräuchten nur zu dem Gebäude gehen, wo „Bowling“ draufstand. „Da wo die Polizisten sind, gehen Sie nur dorthin …“

Der Amerikaner in Paris machte sein Foto, nachdem er einen der Umstehenden weggewinkt hatte. Und er beeilte sich, zu den übrigen Banksys zu kommen, wohl auch, weil es ihn verunsicherte, plötzlich vor einer ganzen Menge von Migranten zu stehen, hauptsächlich junge Männer aus Afrika, die vor dem Zaun des ehemaligen Erstaufnahmezentrums warteten.

Beate Thill

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